Samstag, 31. Dezember 2011

Rotes Zentrum

Ab ins Outback! Anstatt die rund 1'500 km zum Uluru auf dem eintönigen Stuart Highway zurück zu legen, starten wir ein kleines "Off-road" Abenteuer. Also ganz offroad ist es ja nicht, die ungeteerte Strasse ist immerhin eine Verbindungsachse der umliegenden Landdörfern. Bei trockenem Wetter ist sie für 2WD Fahrzeuge freigegeben und gut befahrbar. Aber man fühlt sich dem Outback schon sehr viel näher als auf dem Highway. Zuerst durchfahren wir den Gawler Range Nationalpark und erhalten einen ersten Einblick in das rote Zentrum. Der Sand ist wirklich rot und es hat viel davon. Die Vegetation ist dichter als wir erwartet haben und jetzt, Anfang Sommer, auch noch richtig grün, ein schöner Kontrast.


Eine der Sehenswürdigkeiten im Nationalpark sind die Organ Pipes, Felsformationen die aussehen wie Orgelpfeiffen und alle gleichmässig 5-kantig geformt sind. Der 10km lange Abstecher dorthin ist aber gemäss Karte ein 4x4 Track und so befürchten wir schon, darauf verzichten zu müssn. Seit wir von der Küste weg sind ist es nämlich zum ersten Mal richtig heiss und bei brennender Mittagssonne haben wir grad keine Lust auf eine 20km Wanderung. Der Beginn des Tracks sieht dann aber gar nicht so schlimm aus, und so beschliessen wir, mal zu sehen wie weit wir kommen. Wenn es trocken ist und man vorsichtig über die Spurrinnen fährt, kommt man nämlich auch mit einem Kleinwagen schon weit. Gefährlich können grössere sandige Abschnitte werden, wo wir hoffnungslos steckenbleiben würden. Aber wir haben Glück und müssen unser Auto erst kurz vor Ende des Weges abstellen. Nach einer kurzen Wanderung stehen wir vor der überdimensionierten natürlichen Orgel.


























Unsere Strecke führt uns während zwei Tagen durch abgelegene Weiten. Ab und zu tauchen ein halbverlassener Hof oder grasende Schafherden auf. Es begegnen uns mehr Kängurus und Emus als motorisierte Verkehrsteilnehmer. Wir übernachten an einem ausgetrockneten Salzsee und teilen unseren Zeltplatz mit tausenden Ameisen.



























Kurz vor der Kupferminenstadt Coober Peddy treffen wir wieder auf den Highway und einen Schritt näher in die Zivilisation in Form von Tankstellensiedlungen mit klimatisierten Läden und Icecream, eine wilkommene Abwechslung bei den mittlerweilen stark über 30 Grad gestiegenen Temperaturen. Ansonsten schweift der Blick über die weite Leere. Ab und zu biegt eine kleine Strasse ab, die in Aboriginal-Dörfer führt, Menschen sieht man aber kaum. Der berühmte Uluru (meistfotografiertes Objekt in Australien) liegt 450km südwestlich von Alice Springs, der einzigen grösseren Stadt im Outback. Ein 3-stündiger Abstecher führt vom Highway dazu. Wir wollten eigentlich zuerst den Uluru besichtigen und dann via eine weitere ungeteerte Strecke nach Alice Springs fahren. Als wir aber bei der Abzweigung ankommen, beginnt es gerade in Strömen zu regnen, es ist grau und verhangen und sieht gar nicht nach Sonnenuntergangswetter aus. Wir entscheiden uns deshalb, weiter zu fahren und die Rundreise von Alice Springs aus retour zu fahren. Nach weiteren zwei Stunden kommen wir in Alice Springs an, eine moderne Stadt mitten in der Pampa. Am augenfälligsten sind hier die grossen Integrationsprobleme der Aboriginal-Bevölkerung. Im Park, auf den Strassen und generell im öffentlichen Raum, sitzen Aboriginals in Gruppen oder Familien zusammen und scheinen den ganzen Tag lang nichts zu tun zu haben, während die weisse Bevölkerung in Businesskleidung schnell zum Lunch in den Park kommt und nachher wieder zur Arbeit geht. Die hohe Arbeitslosigkeit, Alkoholprobleme und Armut verstärken wohl die Resignation über die weitgehend verlorene traditionelle Lebensweise im Einklang mit der Natur. Die Lebenserwartung der Aboriginals liege gerade mal bei 55 Jahren! Auf Informationstafeln in Nationalparks oder entlang der Strassen wird häufig von lokalen Ältesten auf die Klutur und Lebensweise der Aboriginals hingewiesen und gesagt, dass die Communities auch heute noch ihre Kultur pflegen und an die Kinder weitergeben. In der Stadt ist davon nur wenig zu sehen. Wie schon in Amerika bei den Indianern haben wir auch hier das Gefühl, dass die Problematik nicht wirklich lösbar ist. Es gibt zwar Bestrebungen, auch von Regierungsseite, die Kultur zu bewahren, aber wie lässt sich eine solche ganzheitliche Kultur weiterleben, wenn deren Lebensgrundlage (Jagen, Sammeln, mit und von der Natur leben) nicht mehr vorhanden ist? Und völlige Integration in die moderne australische Welt funktioniert (bisher) nicht, und wird von den Aboriginals auch nicht gewünscht. Fragen, die hier scheinbar nicht befriedigend gelöst werden können. Von einheimischen, weissen Australiern haben wir denn auch noch kein einziges gutes Wort über die Aboriginals gehört, wobei wir bezweifeln, ob die meisten schon mal eine Begegnung mit ihnen hatten.

In Alice Springs haben wir auch wieder Internetempfang und können den Wetterbericht checken. Aber oha, es regnet ja die ganze Woche, und das mitten im Outback, mitten im Sommer! Damit haben wir nicht gerechnet. Heute wäre wahrscheinlich noch der beste Tag gewesen für einen Sonnenuntergang. Aber dafür ist es nun zu spät. Unsere Dirt Road Rundreise wird aber auch ins Wasser fallen, denn bei diesem Regen können selbst Geländewagen feststecken. So gehen wir Kaffee trinken, verfolgen per Livestream den Anfang der Bundesratswahlen in der Schweiz und machen uns dann wieder auf auf den Weg zurück um wenigstens am nächsten Morgen den Uluru bei Sonnenaufgang zu sehen.

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