Mit dem Grand Canyon habe ich (Barbara) seit langem eine persönliche Rechnung offen. Ich mag mich an die Begebenheit anno 1985 zwar nicht selber erinnern, aber die Familienlegende besagt, dass meine Eltern mit mir im Huckepack in den Canyon stiegen, und den Aufstieg wegen zu knapp bemessenem Wasser und Food nur mit äusserster Mühe schafften. Vom Grand Canyon wurde seither immer mit grossem Respekt gesprochen. Die Schlucht ist immerhin 1'400 Meter tief und im Innern des Canyon herrscht ein wanderfeindliches Klima - Temperaturen weit über 40 Grad sind im Sommer keine Seltenheit, selbst wenn es am Ausgangspunkt angenehm frisch ist. So überlegen wir schon eine Weile, wie wir dieses Abenteuer am besten anpacken. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Grand Canyon zu bezwingen. Die gängige ist eine 2-tägige Wanderung mit Übernachtung am Fluss oder auf halber Strecke hinauf. Die benötigten Campingpermits muss man aber vier Monate im Voraus bestellen. An einem Tag zum Fluss und wieder hinauf ans Rim zu wandern, ist je nach Quelle eine Wahnsinnstour, verboten oder in sechs Stunden machbar. Der Park rät ganz entschieden davon ab und verweist auf die 350 Personen, die jedes Jahr wegen Erschöpfung, Hitzeschlag oder anderen Problemen aus dem Canyon geborgen werden müssten. Es sei auch eine Marathonläuferin im Grand Canyon gestorben, (wie wir aber später herausfinden, wegen geradezu fahrlässiger Vorbereitung und fehlender Ausrüstung). Nach eingehenden Recherchen entscheiden wir, der "Grand Canyon Marathon" müsse machbar sein. Auf erneutes Anraten meiner Eltern kaufen wir tüchtig ein und packen unsere Rucksäcke.
Ausser der Verpflegung, die wahrscheinlich für eine halbe Woche gereicht hätte, nehmen wir einen Schlafsack, eine Blache und warme Kleider mit, um notfalls eine Nacht unterwegs zu überleben. Der Wetterbericht ist gut, es sollte nicht allzu heiss werden. Wir stehen um 4 Uhr auf, um den ersten Shuttle zum Ausgangspunkt zu erwischen. Bei Sonnenaufgang stehen wir am Rim - es kann losgehen!
Von der allerseits befürchteten Grand Canyon Hitze merken wir vorderhand nichts. Es ist 3 Grad, wir frieren und machen uns schleunigst auf den steilen South Kaibab Trail in die Tiefe.
Das Panorama ist grandios und langsam füllt die Sonne den Canyon mit Licht.
Nach zwei Dritteln der Höhendifferenz erreichen wir das untere Plateau. Hier fällt die letzte Entscheidung, die ganze Wanderung durch zu ziehen. Wir leeren das Wasser, das wir bis zur Wasserstelle am Fluss nicht brauchen, aus. Der Point of no return ist überschritten!
Der letzte Teil ist noch einmal steiler als bisher. Die Knie sind schon etwas weich, als wir nach 3:40 h die Brücke erreichen.
Nach einem kurzen Fussbad im Colorado River machen wir uns auf den Weg. Für den Aufstieg wählen wir den etwas längeren, dafür weniger steilen Bright Angel Trail. Man sieht nun nur die Hälfte des Canyons. Die hohen Wände, die wir ansteuern, führen erst zur Mitte der zu bezwingenden Höhe. Wir treffen nun auch auf die Übernachtwanderer, die sich sich mit ihrer Zeltausrüstung auf den Weg machen. Unterwegs überholen wir eine Gruppe mit einem Mann, der so dick ist, dass er schon beim Geradeauslaufen kaum aus dem Keuchen kommt. Wir wissen nicht, wie er den Aufstieg bewältigen will und finden, die Ranger sollten besser daraf achten, wer in den Canyon steigt, als allen davon abzuraten, das Ganze an einem Tag zu machen. Aber wir müssen jetzt auch erst mal noch hinauf kommen. Mittlerweilen ist es recht heiss geworden. Wir kommen aber noch zügig voran und erreichen nach drei Stunden eine Oase im sonst so trockenen Canyon. Ein Fluss schafft ein grünes und blühendes Tal. Hier machen wir eine Mittagspause. Auf dem Rest des Trails hat es nun mehrere Wasserstellen, so dass wir nicht mehr so schwer tragen müssen. Wir staunen ab den vielen verschiedenen Pflanzen und Blumen. Lustig ist, dass dieselbe Blume im unteren Teil des Canyons schon gelb blüht und weiter oben erst grün ist.
Langsam macht sich die erste Müdigkeit bemerkbar. Wir sind nun bedeutend langsamer unterwegs und machen häufiger Pause. Zeitlich sind wir jedoch voll im Plan und sollten das Rim deutlich vor Sonnenuntergang erreichen. Langsam und stetig steigen wir weiter. Immer wieder blicken wir zurück, um zu sehen wie viel wir schon geschafft haben. Wir geniessen das gewaltige Panorama, das sich bei jeder Kurve wieder anders zeigt. Auf den letzten Meilen werden wir nun auch von Teenagern und Rentnern überholt, aber die sind schliesslich auch nur eine halbe Stunde runter spaziert. Nach elf Stunden haben wir es geschafft, wir stehen wieder am Rim!
Fazit: Der Grand Canyon Marathon ist ausserhalb der Hitzesison bei guter Vorbereitung und anständiger Kondition und Ausdauer streng aber absolut machbar und ein grandioses Erlebnis. Die 2-Tagesvariante erscheint uns wegen zusätzlichem Gepäck und Muskelkater am zweiten Tag vielleicht sogar anstrengender. Wir sind am Tag darauf jedenfalls froh, schon oben zu sein, können wir doch kaum mehr geradeauslaufen und werden zudem glatt eingeschneit:-)
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